Tagesbücher können sehr nützlich sein, jedoch verwandeln sie sich oft zu belastendem „Papierkram“. Hier erfährst Du, warum Du Tagebücher nicht für immer aufbewahren musst und wie Du diese loslassen kannst.

Welche wertvolle Rolle können Tagebücher spielen?

Lerneffekt durch Selbstbeobachten und Selbstreflexion – Durch das Aufschreiben der Ereignisse unseres Lebens und der damit verbundenen Gefühle und Emotionen können wir reflektieren sowie zu wichtigen Erkenntnissen gelangen und daraus lernen.

Emotionales Ventil und das Schaffen eines Gleichgewichts – Viele Menschen verspüren das Bedürfnis nach dem Schreiben eines Tagebuches, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten. Das Aufschreiben gibt ihnen einen emotionalen Halt und eine Hilfestellung, um wieder zur eigenen Mitte zurückzugelangen. Sie schreiben sich die Seele vom Leib so lange, bis es nichts mehr zu schreiben gibt. Danach fühlen sie sich oft besser und gelöster.

Dokumentation und Unterhaltung – Tagebücher erfüllen auch eine dokumentierende Funktion, helfen dem Gedächtnis auf die Sprünge und können eine mehr oder weniger amüsante Lektüre für unsere Erben darstellen.

Müssen wir wirklich alle Tagebücher für immer aufbewahren?

Wenn wir in alten Tagebüchern lesen, suchen wir darin meistens nach neuen Erkenntnissen, die uns in unserem jetzigen Leben zu Gleichgewicht verhelfen oder nach Ereignissen, die wir längst vergessen haben.

Die Kunst des Lebens besteht darin, aus unseren Erfahrungen zu lernen und weiterzuziehen. Ein Tagebucheintrag hat seine Aufgabe im Moment des Aufschreibens erfüllt und muss nicht bis in die Ewigkeit aufbewahrt werden.

Man kann es mit einem Gerüst zum Hausbau vergleichen. Während der Bauarbeiten war es nützlich, aber nachdem das Haus fertig ist, brauchen wir es nicht für den Fall einzulagern, dass wir es irgendwann wieder brauchen werden. Das würde auf ein mangelndes Vertrauen in die Zukunft hindeuten. Als ob wir uns nicht sicher wären, dass das Haus stabil genug und bereit zum Wohnen ist.

Wie kannst Du Deine Tagebücher loslassen und dabei alle wichtigen Weisheiten zu bewahren?

Folgende Instrumente helfen Dir dabei.

Lebensordner

Wenn Du auf die in Deinen Tagebüchern wichtigsten Informationen später zurückgreifen möchtest, reiße die entsprechenden Seiten heraus und am besten scanne diese in Deinen digitalen „Lebensordner“. Danach entsorge die restlichen Tagebücher.

Lebensliste

Noch eine bessere Lösung ist, anstatt die extrahierten Seiten einzuscannen, die nützlichen Informationen jährlich zusammenzufassen. Damit reflektierst Du und lernst aufs Neue daraus. Notiere Dir auch, am besten digital, alle wichtigen Lebensstationen und Ereignisse seit Deiner Geburt in einer Liste. So kannst Du bei Bedarf genauer zurückblicken und Gegebenheiten in Deinem Leben besser nachvollziehen.

Die Extraktion von Seiten, das Einscannen oder das Zusammenfassen der Tagebuchweisheiten in einer Liste ist zeitaufwändig. Überlege es Dir genau, ob es Dir Deiner wertvollen Lebensenergie und -zeit wirklich wert ist. Wenn das Ziel dieses aufwändigen Prozesses nicht das Lernen, sondern sentimentale Gründe und die Unfähigkeit loszulassen sind, dann ist es eine Zeit- und Energieverschwendung.

Noch einmal lesen und Abschied nehmen

Einige haben das Bedürfnis, zum Abschied ihre Tagebücher noch einmal zu lesen. Die wenigsten jedoch schmeißen sich vor Lachen buchstäblich weg, wenn sie die Gedanken eines pubertären Teenagers durchgehen oder sich die emotionale Achterbahn ihres Lebens vor Augen halten. Den meisten ist es nur peinlich oder unangenehm.

So war es auch bei mir. Ich schrieb meine Tagebücher vom 13. bis zu meinem 23. Geburtstag. Bevor ich mich von diesen verabschiedete, wollte ich alles noch einmal lesen. Ich hörte nach ein paar Seiten auf. Es war mir nicht nur wahnsinnig peinlich, ich war entsetzt. Ich erkannte die Person, die ich damals war, gar nicht mehr wieder! Bei der Vorstellung, dass das jemals meine zukünftigen Kinder lesen sollten, ist es mir übel geworden. Ich zerriss jede Seite in kleinste Stücke und verteilte die Überreste auf mehrere Mülltonnen.

Falls Du immer noch schwankst, ob Du Deine Tagebücher behalten oder vernichten sollst, frage Dich:

  • Möchte ich, dass es spätestens nach meinem Tod meine Erben lesen?
  • Möchte ich wirklich alle Jahre wieder über meine Jugendschwärmereien oder sogar schwere Schicksalsschläge reflektieren?

Wenn Ja, dann bewahre es wertschätzend in einer Erinnerungskiste oder an einem anderen würdevollen Platz auf.

Wenn nicht Du oder jemand Anders diese lesen soll, zerreiße oder verbrenne sie feierlich!